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Straße bei Nacht
von Uwe Heimburger
Über Monochrom- und Farb-Sensoren
Mal wieder komplett monochrom unterwegs. Diesmal Fotowalk bei Dunkelheit vom Sendlinger Tor zum Hauptbahnhof, München. Eine neue Herausforderung.
Wenn's dunkel ist und starke Lichter die Szene erhellen, überschreiten die Helligkeitsunterschiede die Fähigkeiten von Sensoren diese abzubilden ganz schnell. Da reagiert die digitale Technik deutlich empfindlicher als analoger Film.
Monochrom- vs. Farbtechnik
Das gilt umso mehr für Monochrom-Sensoren. Denn da gibt's nur einen Kanal, der die Helligkeitsinformation (Grautöne) trägt. Bei Farbsensoren sind es deren vier. Einmal Rot, zweimal Grün und einmal Blau - RGGB. Sie sind angeordnet entsprechend Bayer Pattern - ein Muster, gebildet durch Farbfilter, umgesetzt als Color Filter Array (CFA) und basierend auf dem additiven RGB-Farbmodell. Dieses ist üblicherweise auch das Computer-Displays zugrunde liegende Farbmodell. Die Summe der drei Primärfarben Rot, Grün und Blau ergibt Weiß.
Bild aus gemessenen Helligkeiten
Bei der Konvertierung, dem Demosaicing, des digitalen Negativs (DNG) bzw. der Sensor-Rohdaten in ein Bildformat wie z.B. JPG, werden aus den vier Kanälen drei. Je Farbe ein Kanal entsprechend RGB-Farbmodell. Ein Farb-Pixel wird dabei aus Werten von benachbarten Sensorzellen gerechnet - Basis sind die entsprechend CFA gefilterten Daten. Beim Monochrom-Sensor entspricht jedes Pixel genau einer Sensor-Zelle - wenn der Raw-Konverter dies ohne Berechnungen wie bei Farb-Sensoren umsetzt.
RGB-Farbkanäle
Die Farb-Kanäle eines berechneten Pixels enthalten in der Regel unterschiedliche Werte. So kann der Fotograf, wenn er mit Farb-Kamera im Raw-Format fotografiert, im Raw-Konverter oft noch Bild-Details in den Lichtern retten. Dies ist möglich, da die vier Kanäle meist leicht unterschiedliche Informationen enthalten. Beim Monochrom-Sensor funktioniert das nicht.
Bei reinen Grauwerten enthalten alle Farb-Kanäle des Farb-Sensors jedoch denselben Wert, d.h. Rot = Grün = Blau. Daher gibt es in diesem Fall dasselbe Problem, wie bei Monochrom-Sensoren.
Überbelichtung
Es kommt umgehend zur Überbelichtung, wenn die maximal verträgliche Lichtmenge überschritten ist (Übersättigung von Sensorzellen), dem sogenannten Clipping. Dies bedeutet ausgefressene Lichter, unschöne große weiße Flecken ohne Struktur.
Das will kein Fotograf. Besitzt die Kamera eine Belichtungsmessung, die auch eine Ausrichtung der Messung an den Lichtern (Highlight-weighted) erlaubt, erleichtert dies die Arbeit.
Ansonsten hilft es nur, selbst korrigierend einzugreifen. Die Belichtungszeit zu reduzieren, die Blende weiter zu schließen, die ISO-Zahl zu reduzieren, oder eine Kombination dieser Änderungen zu wählen. Bei manueller Belichtung direkt, bei Automatiken über die Lichtwert-Kompensation.
Praxis
Immer zu bedenken:
- Verlängerung der Belichtungszeit kann zu Unschärfe durch Bewegung führen.
- Reduktion der Blendenöffnung über ein bestimmtes Maß hinaus führt zu Unschärfe aufgrund von Lichtbeugung.
- Bei der Arbeit mit der Empfindlichkeit ist zu bedenken, daß eine Erhöhung der ISO-Zahl zu verstärktem Bildrauschen führt.
Bildrauschen
Beim Monochrom-Sensor wirkt das Bildrauschen bei weitem nicht so störend, wie beim Farb-Sensor.
Denn der Monochrom-Sensor zeigt lediglich Luminanz-Rauschen. Beim Farb-Sensor kommt Chrominanz-Rauschen hinzu. Letzteres führt zu unregelmäßig im Bild auftretenden bunten Punkten. Sie werden immer störender, je höher die ISO-Empfindlichkeit liegt. Bild-Details "verschmieren", gehen verloren. Beim Monochrom-Sensor bleiben Details deutlich länger erhalten und selbst kleine Schrift lesbar.
Das Luminanz-Rauschen des Monochom-Sensors wirkt eher wie Film-Korn bei analogen Film-Aufnahmen. Bei 100% Ansicht deutlich sichtbares Rauschen im originalen Bild verschwindet mit Reduktion der Bildgröße auf Präsentationsgröße für das Internet selbst bei hoher ISO-Zahl von bis zu ISO 25.600 nahezu vollständig. Die folgenden Beispiele zeigen dies eindrucksvoll.
Straße bei Nacht

Street At Night (ISO 25.600)
Es ist kalt, knapp über Null Grad Celsius. An der Kreuzung warten die Autos wie Formel-1 Boliden auf den Start. Dunst bildet sich über dem Boden.
Licht und Schatten so auszubalancieren, dass die Lichter nicht ausfressen, d.h. zu dicken unstrukturierten weißen Flächen werden, und Details nicht im Schwarz versinken - das ist die Kunst. Automatismen helfen da oft nicht, oder führen gar zu unbrauchbaren Ergebnissen.
Ich versuche jedes meiner Bilder hinsichtlich der Helligkeitsverteilung so auszutarieren, dass sie Merkmale, die ich für wichtig halte, möglichst ausreichend wahrnehmbar zutage treten. Das gelingt nicht immer, aber sehr oft.
Warten auf Gäste

Waiting For Guests (ISO 10.000)
Bei dieser Temperatur finden sich keine Gäste, die es nach Draußen zieht. Trotzdem sind die Tische beleuchtet - ein nettes stimmungsvolles Bild.
Gang ins Dunkel

Walk Into The Dark (ISO 25.600)
Seitenstraßen sind oft menschenleer. Bin ich dort unterwegs, beschleicht mich ein beklemmendes Gefühl ...
Aufbau

Build-up (ISO 25.600)
Gebaut wird immer und überall. Modernisierung muss sein, auch wenn's nicht immer schön aussieht. Ein besonderes Beispiel ist der Münchner Hauptbahnhof. Ich habe selten einen weniger anziehenden Ort gesehen. Bin gespannt, wie lange das andauern wird ...
Radelnde Geister

Biking Ghosts (ISO 12.800)
Zu dieser Aufnahme inspirierten mich die extrem dunklen Silhouetten der Bäume in der Mitte der Straße und die flott vorbeifahrenden Fahrradfahrer. Bei Belichtungzeit 1/20s werden die Fahrradfahrer zu Geistern - je näher sie kommen, desto größer der Verlust an Schärfe durch Geschwindigkeit - bis sie vollständig nicht mehr erkennbar sind.
Einkaufsrad und Kleidung

Shopping Bike (ISO 12.800)
Der deutliche Helligkeitskontrast zwischen Schaufenster und Fahrrad erregt meine Aufmerksamkeit ...

Wardrobe (ISO 25.600)
... und auch die Schaufensterpuppen mit ihrer Garderobe haben etwas zu bieten.
Warten an der Rolltreppe

Waiting At The Escalator (ISO 25.600)
Nicht Jeder kann oder will die Treppe nehmen. Manchmal muss gewartet werden, bis es die Rolltreppe zuläßt, die Richtung zu ändern.
Foto Pini Erinnerung

Foto Pini Memory (ISO 25.600)
An dieser Ecke prangte vor mehr als 30 Jahren tolle Leuchtreklame von Kameraherstellern. Die heutige Werbung wirkt auf mich dagegen sehr langweilig. Unten Empfing uns der Eingang des Fotofachgeschäfts Pini. Das Fachgeschäft belegte mindestens Keller-, Erd- und 1. Obergeschoß.
Dort kaufte ich Anfang der 1990er Jahre mein 70-210mm Vivitar Serie 1 Zoom für meine analoge Spiegelreflexkamera Pentax ME Super und eine Kindermann Dia-Überblend-Kombination. Lang, lang ist's her.
Mit den Jahren verschwanden immer mehr Fotofachgeschäfte. Leider führen die heutigen meine präferierte Marke fast alle nicht mehr. Traurig das ist.
Gehen und Kaufen

Walk And Buy (ISO 25.600)
Auf dem Gehweg Stände, die allerlei Souveniers anbieten. Ein Beispiel für extreme Helligkeitsunterschiede. Gegenlicht läßt die Umrisse der Passanten deutlich hervortreten.
Leben komprimiert

Life Compressed (ISO 25.600)
Auf dem Weg drängen sich die Menschen, es wird gebaut, Waren per Fahrrad transportiert, die Tram wartet, ... es herrscht Leben.
Tram Akkordeon

Tram Accordion (ISO 25.600)
Und manchmal entdecke ich dazwischen etwas Besonderes - wie hier, ein Tram Akkordeon ...