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Odeonsplatz, Hofgarten, Residenz
von Uwe Heimburger
Aufbruch
Habe mir überlegt mal wieder einen Kurztrip nach München zu unternehmen. Mit der S-Bahn geht's zum Marienplatz und von dort aus zu Fuss zum Odeonsplatz, Hofgarten, Residenz und wieder zurück zum Marienplatz.
Wie so oft Probleme mit dem S-Bahnverkehr. Die Stammstrecke ist für meine Linie gesperrt. Den Hinweis darauf habe ich in den Details der MVV-App übersehen. In Pasing umsteigen und, wie sich zeigt, gibt's auch auf den anderen Linien Verspätungen. Unmut bei den Fahrgästen.
Ich komme am Marienplatz an und packe meine Kamera aus. Mein Smartphone verbinde ich per Bluetooth mit der Kamera. Sofern ein GPS-Signal empfangen wird, werden die GPS-Daten in die Exif-Daten meiner Aufnahmen übernommen. Heute stehen Aufnahmen in Schwarzweiss bzw. Monochrom auf dem Plan.
Odeonsplatz & Theatinerkirche
Es ist Samstag. Daher herrscht auf den Gehwegen bis zum Odeonsplatz viel Betrieb. Der Treppenaufgang zum "Podest" der Feldherrnhalle (Wikipedia) ist gesperrt. Sie wurde Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut und wird derzeit saniert. 2025 soll sie in neuem Glanz erstrahlen. Wie bereits vor Monaten Baustelle nicht nur dort. Die beiden Löwen aus Marmor bewachen den Platz.
Das Wetter hält. Wolken, aber auch viel Licht. Zahlreiche Menschen laufen über den Odeonsplatz.
Elektronischer Verschluss + Liveview = geräuschlos
Ich besuche die Theatinerkirche. Meine Kamera stelle ich auf elektronischen Verschluss und Liveview-Betrieb. So entstehen beim Auslösen keine störenden Geräusche wie Spiegelschlag und mechanisches Verschlussgeräusch. Ein elektronischer Verschluss führt in Szenen mit schnellen Bewegungen schnell zu verzerrt aufgezeichneten Motiven. In der Kirche wird das eher nicht der Fall sein. Ich erwarte keine Probleme.
Bildstabilisierung
Ein Dreibeinstativ benötige ich nicht. Denn die kamera-interne Bildstabilisierung (IBIS, In-Body-Image-Stabilization) funktioniert bei diesem Kameramodell auch gleichzeitig mit elektronischen Verschluss. Das hilft, ISO niedrig zu halten, ohne Aufnahmen zu verwackeln.
Elektronische Wasserwaage
Die korrekte horizontale und vertikale Ausrichtung der Kamera kontrolliere ich über die eingeblendeten Anzeigen der elektronischen Wasserwaage.
Touch Screen
Zum fokussieren erweist sich der Touch Screen als hilfreich. Kein Navigieren mit Joystick oder Tasten nötig. Ich kann die Kamera mit linker und rechter Hand gleichzeitig bedienen. Mit der linken Hand tippe ich die zu fokussierende Stelle im Bild an, rechts modifiziere ich bei Bedarf Blende, Zeit oder ISO mit den Einstellrädern. Im Extremfall kann ich die Kamera so konfigurieren, dass sie mit Antippen des Displays nicht nur fokussiert, sondern auch auslöst.
Dass das Touch Display fix eingebaut ist, stört mich ein wenig. Für einige Aufnahmen muß ich die Kamera über Augenhöhe von mir weghalten, um den gewünschten Bildausschnitt für die Aufnahme festzulegen und auszulösen. Nicht gerade unauffällig, und es ist ein wenig anstrengend.
Auch für Aufnahmen aus der Froschperspektive wäre ein flexibles Display deutlich geeigneter. Ersatzweise kann ich die Ricoh/Pentax Handy-App ImageSync nutzen. Sie erlaubt es, die Kamera via WLAN zu steuern. Aber mit zwei Geräten zu hantieren, empfinde ich meist als etwas nervig.
Spitzlicht-betonte Belichtungsmessung
Eine weitere Herausforderung ist der starke Helligkeitskontrast. Grelles Licht fällt durch die Fenster weit oben. Unten ist es vergleichsweise dunkel. Damit es zu keinen ausgefressenen Lichtern kommt, wähle ich zur Helligkeitsmessung Spitzlichtbetont (engl. Highlight Weighted Metering). Die Belichtung wird an den hellsten Lichtern ausgerichtet. Damit wird die sog. ETTR-Technik (Exposure To The Right) von der Kamera unterstützt. Sichtbar auch am eingeblendeten Histogramm der Helligkeitsverteilung. Im Extremfall führt diese Technik zu deutlicher Unterbelichtung mit sehr geringen Details und deutlichem Rauschen in den Tiefen.
Wenn die Kamera auf einem Stativ montiert ist, bietet es sich an, eine zweite Aufnahme mit 2-3 Blendenstufen überzubeliichten. Damit werden die Tiefen entsprechend angehoben und ausreichend Daten für Details in den Tiefen aufgezeichnet. In der spätereen Bildbearbeitung besteht die Möglichkeit die beiden Bilder per HDR-Technik zu entwickeln.
Anwendermodus mit "ETTR plus 3LW"-Belichtungsreihe für HDR-Bearbeitung
Da die Kamera extrem schnell "schießt", können zwei Bilder, mit relativ kurzen Belichtungszeiten aus der Hand aufgenommen durchaus zur HDR-Verarbeitung taugen. Für diesen Fall habe ich den Anwendermodus 1 definiert: Programm Av - spitzlichtbetont - Belichtungsreihe 2 Bilder - 1. Bild mit Belichtungskorrektur 0 Blendenstufen (= Lichtwerte LW bzw. engl. Exposure Value EV), 2. Bild +3 LW Belichtungskorrektur.
Belichtungsreihen werden mit einer Auslösung vollständig durchgeführt. Durch Bearbeiten der beiden Aufnahmen als HDR-Aufnahme entsteht für das Ergebnisbild eine ausgeglichene Helligkeitsverteilung ohne Beschnitt von Tiefen oder Lichtern.
In der Kirche vermeide ich den Einsatz des Stativs und mache diesmal nur eine Aufnahme, wende den Anwendermodus 1 somit nicht an. Die Nachbearbeitung zeigt, dass die Tiefen ausreichend Zeichnung besitzen.
Da ich die Kamera für einige Bilder nach oben richten muss, kommt es in den Bildern zu deutlich stürzenden Linien. Der Einsatz eines Shift-Objektivs wäre hier von Vorteil. Allerdings reicht der Shift-Bereich von bis zu ca. 12mm nicht immer aus. Wie auch immer - ein solches Spezial-Objektiv besitze ich leider nicht - aber es gibt Alternativen.
Shift im Kleinen - Feinabstimmung des Bildausschnitts
Pentax DSLR-Kameras bieten für solche Fälle die Möglichkeit die Funktion Feinabstimmung des Bildausschnitts (engl. Composition Adjustment Tool) einzusetzen. Die Funktion ist mit Liveview einsetzbar. Dabei wird die Bildstabilisierung ausgeschaltet, und der magnetisch gelagerte Sensor manuell um bis zu 24 Stufen verschoben - dies wirkt auf das Bild wie das Shiften eines Objektivs. Allerdings in sehr engen Grenzen. Da die Bildstabilisierung dabei deaktiviert wird, sollte beim Einsatz dieser Funktion mit Stativ gearbeitet werden. In der Kirche ist dies für mich keine Lösung.
Bildnachbearbeitung mit Perspektivkorrektur (Keystone Correction)
Daher korrigiere ich die Perspektive der Aufnahmen während der Nachbearbeitung in meinem Raw-Konverter Capture One Pro. Es kommt die Funktion Keystone Correction zum Einsatz. Leider geht damit deutlich Bildfläche verloren und der ursprünglich gewählte Ausschnitt kann nicht beibehalten werden. Die geringere Bildgröße erweist sich nur für Drucke in großem Format als Problem, für Internet-Präsentationen vernachlässigbar. In der maximalen Ausdehnung kommt das obige Bild immerhin auf 3343 x 5943 Pixel Ausdehnung. Das sind knapp 20 der ca. 26 Megapixel des Sensors.
Spielraum zur nachträglichen Anpassung des Bildausschnitts bei Anwendung der Perspektiv-Korrektur bieten Objektive mit sehr kurzer Brennweite. Der Einsatz eines Superweitwinkel-Zooms scheint mir eine gute Altenative zum Shift-Objektiv zu sein.
Mit einer Handvoll Aufnahmen verlasse ich die Kirche und quere den Opernplatz Richtung Hofgarten.
Hofgarten
Eine kleine japanische Reisegruppe hinter mir. Mein erstes Ziel ist der Dianatempel (Wikipedia). Er wurde bereits Anfang des 16. Jahrhunderts errichtet!
Zersplittertes Glas im gesperrten Tempel. Unschön.
Ich schlendere in einem Bogen zurück in Richtung Hofgarten-Eingang. Weiterhin wenig Besucherandrang. Ich habe freien Blick auf die Kulisse. Meine Schwarzweiss-Aufnahme wird schöne Grauwertenabstufungen und starke Kontraste zeiigen ...
Anschließend wende ich mich den hölzernen Toren und Säulen des Residenz Festsaalbaus im Norden des Hofgartens zu.
Der Bau gehört zur Münchner Residenz (Wikipedia).
Residenz
Langweilige architektonische Motive? Vielleicht. Aber sie dienen der Übung: Kamera und Objektiv besser kennen und einsetzen lernen, Routine entwickeln, sich auf das Motiv konzentrieren, den Bildausschnitt exakt wählen, sich Zeit lassen, um Probleme zu erkennen.
Ich setze meinen Weg auf dem Areal der Residenz fort. Hinter einem Eingang verbergen sich mehrere mit Durchgängen verbundene Höfe. Hier ist es heute erstaunlich ruhig. Kaum eine Seele hat sich hierher "verirrt". Eine Aufnahme mit Symmetrie ...
Nachdem ich einen oder zwei weitere Durchgänge passiert habe, gelange ich zu einem Garten neben der Allerheiligen Hofkirche. Ich erinnere mich, dass ich hier vor längerer Zeit schon einmal war. Das war während einer Stadtführung. Die Tore sind geöffnet! - Ich betrete den Garten.
Leider ist immer noch Winter, Beete und Brunnen mit Holz verkleidet. Kahle Platanen breiten ihre Arme wie zum Schutz vor der Rückwand des Garten aus.
Ich verlasse den Garten in Richtung Marstall-Theater.
Rückweg
Ein Treppenaufgang erweckt meine Aufmerksamkeit. Er führt zurück in die Residenz-Höfe, Licht und Schatten arbeiten sich Stufe für Stufe nach Oben. Ein perfektes Motiv für eine Schwarzweiss-Aufnahme. Zwei Passanten halten inne. Freundlicherweise wollen sie mich bei meiner Aufnahme nicht stören. Ich bitte sie, trotzdem zu gehen. Sie werden wichtiger Teil meiner Aufnahme werden, unerkannt.
Ich setze meinen Weg in Richtung Marienplatz fort.
In einem Schaufenster finde ich eine Möglichkeit für eine interessante Aufnahme mit Spiegelung. Das Bild wird mich viermal einfangen.
Zurück auf dem Marienplatz. Es sammeln sich zahlreich Menschen zur Demonstration für die Ukraine ...
Wieder Zuhause angekommen freue ich mich über meine, wie ich finde, gute Bildausbeute.
Hinweise für Fotografen
Die Aufnahmen entstanden mit meiner Pentax K-3 Mark III Monochrom und Festbrennweite 21 mm, ohne Einsatz von optischen Farbfiltern, die in der Schwarzweissfotografie oft zur Kontrast-Optimierung verwendet werden.
Aufnahmen im Raw-Format DNG, Raw-Konvertierung in Capture One Pro. Weißrand der Bilder mit Affinity Designer erzeugt, später auch quadratische "Dias" für eine einfache Dia-Show. Monchrome GIF Diasshow mit der Open Source Software GIMP erzeugt.
Herausforderungen dieses Foto-Spaziergangs waren ...
- Mich inspirierende Motive entdecken, bewußt auf Licht, Schatten und Strukturen achten, Farbe gedanklich ausblenden ("Grauton-Sehen")
- In der Kirche starke Kontraste (Wahl der Belichtungsmessung)
- Bildausschnitt Vorort und in der Bildbearbeitung (z.B. auch das geeignetste Seitenverhältnis) festlegen
- Architekturfotografie. Umgang mit "stürzenden" Linien während des Fotografierens (optimale Position für gewünschte Perspektive) und in der digitalen Bildbearbeitung (Perspektiv-Korrektur)
- Fotografie ohne flexibles Display, wo es hilfreich gewesen wäre, und ohne Stativ
- Beschränkung auf ein Objektiv mit Brennweite 21mm. Am APS-C Sensor wirkt diese Brennweite als moderates Weitwinkel-Objektiv mit ca. 58° horizontalem und 41° vertikalem Bildwinkel. An einem Vollformat-Sensor würde dafür ein 31mm-Objektiv verwendet.
Bonus
Als Bonus habe ich eine kurze Diashow mit den Bildern unter dem Titel acoufap's Munich Photowalk 02/2024 im englisch-sprachigen Bereich der Website mit Details zur Erstellung veröffentlicht ... viel Spaß beim anschauen!