Digital Sehen Hören Verstehen.
Zur Übersicht nach Themengebieten des Blog.
Mond im Erdschatten
von Uwe Heimburger
Es ist ein gewöhnlicher Arbeitstag. Zu Fuss zur S-Bahn, am Abend wieder denselben Weg zurück. Als ich Zuhause eintreffe, beschliesse ich meine Standardrunde zu Laufen - 11 Kilometer. Anschliessend Duschen. Ich fühle mich gut genug, das heutige Mond-Event am späten Abend in Bildern festzuhalten. Der Mond tritt gegen 22 Uhr in den Erdschatten - eine partielle Mondfinsternis steht bevor. Eine erste volle Mondfinsternis erlebte ich in meiner Jugend. Solche Ereignisse haben mich schon immer fasziniert. Und so bepacke ich meinen Trolly mit Allem was ich für eine Foto-Session brauche und mache mich gegen 21:30 Uhr auf den Weg zu meinem Zielort ...
Bereits auf dem Weg dorthin begrüßt mich ein knapp über dem Horizont stehender leuchtender Mond. Eine Dame, die mir entgegenkommt, ruft mir zu, dass man den Mond sehr gut bei den Pferdekoppeln sehen könne. Dass ich fotografiere erkennt sie daran, dass ich eine Kamera auf dem Stativ montiert habe.
Auftakt
Der grosse Vollmond wirft das Licht der Sonne strahlend gelb durch die Zweige eines Baumes zu mir herüber.
Alle Mond-Aufnahmen mache ich heute Abend vom Stativ aus. Bis zu 630mm Brennweite an der Kleinbild-Vollformat und APS-C Kamera.
Hier ein Bild das den Aufbau erahnen läßt ... Stativ, Kugelkopf und Kamera mit 150-450mm Zoom plus 1.4x Telekonverter. So komme ich auf maximal 630mm Brennweite. An einem APS-C Sensor ergibt das Bildwinkel von ca. 2,14° x 1,42° im Querformat! Aufnahme mit zweiter Kamera bei ISO 25.600 ohne Stativ.
Zur Scharfstellung nutze ich das Display und fotografiere im manuellen Modus mit Spotmessung. Das Histogramm gibt Aufschluss über die Helligkeitsverteilung und hilft Beschnitt der Lichter zu vermeiden wo ich das möchte.
Die Exkursion ist eine Spontanaktion und so habe ich mir zuvor leider keine grossartigen Gedanken über die Kameraeinstellungen gemacht. Das rächt sich. In der Nachbearbeitung zeigen die ersten Bilder beim Zoomen auf 100% eine für solche Aufnahmen unschöne Unschärfe. Ich vermute dass der versehentlich aktivierte Bildstabilisator der Kamera dafür verantwortlich ist. Er ist trotz Verwendung eines Kabelfernauslösers aktiv und führt bei Aufnahmen vom Stativ leicht zu Unschärfe-Effekten. Die betreffenden Bilder deklariere sie als weitgehend unbrauchbar.
Und ein weiteres Problem entdecke ich später. Bei der letzten Umstellung der Zeit auf Sommerzeit habe ich es versäumt, die Uhr in meinen Kameras um eine Stunde "vorzudrehen". Das fällt normalerweise nicht auf. Bei einem Ergeignis wie dieser Mondfinsternis stört es mich dann aber schon, wenn die Zeiten nicht zu den Bildern passen. Mit Exiftool fixe ich das Problem im Nachhinein. Die folgende Anweisung erhöht die Aufnahmezeit um eine Stunde. Dabei wird die Original-Datei als Sicherung mit Postfix "_original" angelegt.
exiftool -DateTimeOriginal+='0:0:0 1:00:0' .
Mehrfachbelichtung
Einige der leicht unscharfen Bilder möchte ich zeigen. Denn bei ihnen geht's mehr um die Ideen und das Experimentieren mit Belichtungszeiten und Mehrfachbelichtung.
Bei diesem Bild war mir wichtig, den Mond dreimal mit fortschreitendem Erdschatten einzufangen. Mehrere solcher Bilder entstehen als Mehrfachbelichtung mit zeitlichem Versatz. Da muss man schon eine Weile warten, bis der Mond die nächste Position für die nächste Aufnahme erreicht. Leider habe ich mir nicht gemerkt, wie lange.
Es zeigt sich, dass die Kamera nicht so lange wartet und den Vorgang nach ein paar Sekunden abbricht. Die Stromsparfunktion schlägt zu. Unschön. Ich lerne den Fernauslöser in kurzen Abständen halb zu drücken. Dieser Impuls genügt, die Kamera aktiv zu halten.
Tage später stöbere ich in den Kamera-Menüs und entdecke den Parameter "Auto Power Off". Er steht auf einer Minute. Weitere Optionen sind 3min., 5min., 10min., 30min. und Off. Für's nächste Mal bin ich schlauer. Vielleicht lege ich mir einfach ein User-Profile für Nachtaufnahmen an!
Eine weitere Mehrfachbelichtung mit drei Bildern. Die Idee: drei Monde sollen sich überlappen, wie man es von Darstellungen des additiven Farbkreises mit Rot, Grün und Blau kennt.
Da es eine Mehrfachbelichtung mit demselben mehr oder weniger monochromen Motiv ist, und ich als Verrechnungsmethode für die Bilder "Additive" gewählt habe, addieren sich im wesentlichen die Helligkeiten. Die Belichtungszeit ist bewußt so gewählt, dass die Lichter ausfressen bis in der Addition in der Mitte fast Weiss entsteht. Die Positionen des Mondes im Bild habe ich wie zuvor durch Kameraschwenks herbeigeführt.
Das Bild zeigt deutlich, dass der Himmel nicht völlig klar war.
Belichtung für den Kontext
Auch die folgenden beiden Einzelbildaufnahmen habe ich so belichtet, dass der Mond ähnlich einer hellen Sonnenscheibe wirkt. Dadurch wird der Schleier, der den Himmel bedeckt aus dem Dunkel gehoben und sichtbar. In Realität war er fast nicht wahrnehmbar. Zwischen den Aufnahmen liegen ca. 12 Minuten.
In dieser Situation hätte es sich angeboten, eine HDR-Aufnahme zu machen. Auf diesen Gedanken kam ich leider erst tags darauf.
Sequenz mit Mond-Details
Nun folgen einige Bilder in Pixel Shift Resolution Technologie. Dabei entstehen vier Bilder jeweils um 1 Pixel im 2x2-Feld verschoben. Die Bilder werden anschliessend miteinander verrechnet. Das Ergebnis zeigt sichtbar weniger Rauschen als eine Einzelaufnahme und die Farben sind noch präziser dargestellt.
Wie immer fotografiere ich im Raw-Format. Dies ist insbesondere für solche Aufnahmesituationen essenziell. Es hilft, Rauschen so gut es geht zu kompensieren.
Langzeitaufnahme
Oft gelesen und nun in der Praxis massiv erlebt, entstehen in den Aufnahmen zahlreich sogenannte Hot Pixel. Ein Problem von Sensoren bzw. deren Fotodioden. Es gibt solche, die auf thermisch bedingte Elektronen reagieren. Sie werden im Bild als extrem helle, oft farbige Punkte in Rot, Grün oder Blau auffällig. Stärke und Menge hängt von der Temperatur ab. Auf den Sensor bezogen bleibt die Verteilung temperatur-abhängig konstant. Das Phänomen tritt laut Thierry Legault erst bei Belichtungszeiten ab einer Sekunde auf. Er empfiehlt in seinem wie ich finde hervorragenden Buch "Astrofotografie - von der richtigen Ausrüstung bis zum perfekten Foto" ab dieser Belichtungszeit mit Dunkelbild-Aufnahmen zu arbeiten.
In der Dunkelbild-Aufnahme werden die kritischen Signale festgehalten. Sie dient in der Nachbearbeitung des Hellbildes, also der eigentlichen Aufnahme, als Maske mit deren Hilfe die kritischen Signale ausgeblendet werden können. Das Verfahren basiert auf Roh-Daten von Hell- und Dunkelbild (Raw-Format).
Zur automatischen Erzeugung von Dunkelbildern besitzt meine Kamera die Funktion "Slow Shutter Speed NR (Noise Reduction)". Ist sie aktiviert, generiert sie bei längeren Belichtungszeiten automatisch ein Dunkelbild. Nachteil: für jedes Hellbild mit längerer Belichtungszeit erzeugt die Kamera ein Dunkelbild mit derselben Belichtungszeit und subtrahiert das thermisch bedingte Störsignal aus dem Hellbild. Eine Aufnahme benötigt daher mindestens die doppelte Zeit eines einfachen Hellbildes. Daher habe ich diese Funktion an meinen Kameras deaktiviert.
Eine manuelle Dunkelbildaufnahme wäre erforderlich gewesen. Und so muss ich zahlreiche Hot Pixel in der Nachbearbeitung manuell ausstempeln. Ob ich dabei nicht auch den ein oder anderen Stern vom Himmel "gegessen" habe, weiss ich nicht. Unsicherheit bleibt.
Beleuchtete Häuser entlang der Strasse mit Sternenhimmel unweit meines Aufnahmeorts ...
Auf dieser Exkursion wird mir einmal mehr deutlich wie hoch die Lichtverschmutzung in Grossstädten und deren Randbereiche ist. Der "Nachthimmel" reflektiert das Licht von Straßenlaternen und Vielem mehr. So richtig dunkel ist es nicht. Daher sind auf den Aufnahmen auch nur die sehr hellen Sterne sichtbar.
Ich würde mir wünschen, dass die Menschen mit Licht und Stromverbrauch bewußter umgingen ...
Meine Bilder spiegeln die Helligkeit des Himmels nicht wider. Denn in den meisten Aufnahmen ging es mir darum, den Mond mit Struktur zu zeigen. D.h. ich habe die Belichtungszeit so verkürzt, dass die Lichter nicht beschnitten werden. Gleichzeitig bedeutet es, dass die Umgebung dunkler dargestellt wird, als sie war.
Resümee mit Abstaktion
Eine letzte Spielerei. Auf dem Rückweg ein Kameraschwenk über die beleuchtete Strasse - ein Schlussstrich unter eine interessante Exkursion. Gegen 23.40 Uhr mache ich mich auf den Heimweg.
Eines bestätigt diese Exkursion. Kenntnis der Stärken und Schwächen des verwendeten Equipments, gute Vorbereitung, Üben, Üben, Üben, um Routine zu entwickeln und Experimentieren sind wichtig für die Bildergebnisse.
Mit Digital-Technik kostet das praktisch nix - ausser Geduld, Akkuladung und Zeit!
Nachtrag
Einige der Funktionen meiner Kamera Pentax K-1, die im Kontext von Nacht- und Astroaufnahmen Sinn machen, habe ich bei dieser Exkursion nicht oder wenig genutzt. Diese Funktionen möchte ich künftig bewusst(er) einsetzen. Technologisch bietet kaum eine Kamera mehr. Es wird eine Weile dauern, die geeignete Nutzung zur Routine werden zu lassen.
1. Astrotracer
Der eingebaute Bildstabilisator arbeitet in Verbindung mit der eingebauten GPS-Funktion als Nachführsystem. So lassen sich Sterne bei längerer Belichtung in gewissem Rahmen als Punkte und nicht als Streifen aufzeichnen.
2. Beleuchtung von Tasten (engl. Indicator Lamps)
Bestimmte Tasten lassen sich so konfigurieren, dass sie via Button eingeschaltet werden können.
3. Beleuchtungsfunktion (engl. Illumination Setting)
Für Display und Tasten können Parameter für die Beleuchtung festgelegt werden. Z.B. Reduktion der Helligkeit des Displays beim Drücken des Beleuchtungs-Button.
4. Bildstabilisator (engl. Shake Reduction)
Der Sensor ist elektro-magnetisch gelagert und untestützt IBIS (In Body Image Stabilization). Bei Einsatz eines Stativs ausschalten. Ansonsten besteht aufgrund von "Stabilisationsversuchen" die Gefahr von Unschärfe im Bild.
5. Elektronische Blende Live View (engl. Electronic Shutter in Live View Mode)
Der deutsche Begriff ist irreführend. Es müsste elektronischer Verschluss heissen. Er ist an der K-1 nur im Modus LiveView einsetzbar. Durch den Verschluss erzeugte Erschütterungen werden vermieden. Da LiveView genutzt wird, kommt es auch nicht zu Erschütterungen durch den Spiegelschlag der DSLR.
6. Energiesparfunktion (engl. Auto Power Off)
Stromsparfunktion auf geeigneten Wert setzen, so dass Vorgänge wie Mehrfachbelichtung nicht abgebrochen werden.
7. HDR (High Dynamic Range)
Hilft grossen Dynamik- bzw. Helligkeitsumfang zu meistern. Wäre im Kontext der partiellen Mondfinsternis ein geeignetes Werkzeug. Einsatz eines Stativs auch bei kurzen Belichtungszeiten empfohlen.
Es werden drei Aufnahmen mit unterschiedlicher Belichtungszeit gemacht. Im Raw-Format werden drei Aufnahmen in einer Datei zusammengefasst. In der Pentax-Software Digital Camera Utility können die Dateien einzeln im Raw-Format DNG exportiert werden. So lassen sich mit spezieller HDR-Software Bilder im HDR-Format entwickeln.
8. Nachtsicht Rotlicht Display (engl. Night Vision Redlight Display)
In der Dunkelheit blendet das Display und kann störend wirken. Es läßt sich in einen einen Rotlicht-Modus versetzen, der weniger auffällig ist.
9. Pixel Shift Resolution (PSR)
Hilft Bildrauschen zu reduzieren und Farbgenauigkeit zu erhöhen. Einsatz eines Stativs erforderlich. Es werden vier um je ein Pixel versetzt Aufnahmen gemacht und miteinander verrechnet. Im Raw-Format werden vier Aufnahmen in einer Datei zusammengefasst.
10. Rauschreduktion bei langer Verschlusszeit (engl. Slow Shutter Speed Noise Reduction)
Die deutsche Bezeichnung ist irreführend. Es geht hier nicht um Rauschreduktion im Bild, sondern um's Eliminieren von Hot Pixel mittels Dunkelbild.
11. Spiegelvorauslösung (Mirror-Up, MUP)
Der Spiegelschlag einer DSLR verursacht Erschütterungen, die zu Bildunschärfe führen können. Die Funktion MUP bewirkt, dass der Spiegel im ersten Schritt hochgeklappt wird, und die Aufnahme anschließend manuell oder automatisch zeitlich verzögert erfolgt.
12. Sternen Spur (Star Stream)
Ein Interverall-Modus, der es erlaubt, in Langzeitaufnahmen Sternenspuren aufzuzeichen.