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Going extrawide
von Uwe Heimburger
Die Perspektive des normalen Sehens erhält man an einer Vollformat Kleinbild-Kamera bei ca. 43 mm. Das entspricht der Bild-Diagonalen des 36 x 24 mm Sensors. Zwischen ca. 40 bis 60 mm spricht man von einer "Normalbrennweite". Bei 43 mm am Vollformat ist der horizontale Bildwinkel 46°, der vertikale 31°. Oft wird auch der diagonale Bildwinkel angegeben - bei der Normalbrennweite sind dies 53°. Mittels dieses Winkels ist es möglich, Sensoren mit unterschiedlichen Seitenverhältnissen anhand eines Parameters miteinander zu vergleichen. An einer APS-C Kamera sind 28mm, an einer MicroFourThirds-Kamera 25mm die Normalbrennweite. Der Beschnittfaktor dient der Umrechnung. Bei APS-C ist die Vollformat-Brennweite durch 1,5, bei MFT durch 2 zu teilen. Je weiter der Bildwinkel, desto stärker die perspektivische Verzerrung - in der Mitte wenig, nach aussen sich verstärkend.
Ein Bild ähnlich dem, das wir mit unseren beiden Augen sehen muss extrem weitwinklig sein, dabei aber auch gleichzeitig die Proportionen von Objekten im Bild beibehalten - so wie sie durch Normalobjektive erzeugt werden. Solch ein Bild kann nicht durch ein Weitwinkel- oder Ultraweitwinkel-Objektiv erzeugt werden. Dies funktioniert nur mit Panorama-Technik und Normalbrennweite. Auf diese Art der Bild-Erstellung gehe ich an diesem Beitrag nicht weiter ein. Vielmehr spreche ich im folgenden über Aspekte der Weitwinkel- bzw. Ultraweitwinkel-Fotografie.
Jede Brennweite bietet Möglichkeiten Bildinhalte auf eine andere Weise dazustellen und damit herauszuarbeiten. Bei Einsatz von Weitwinkel- oder Ultraweitwinkel-Objektiven kommt es zu perspektivischer Verzerrung.
Je größer der Bildwinkel eines Objektivs, desto bedeutungsloser werden Motive in der Ferne. Hohe Berge werden zu Maulwurfshügeln. Soll ein Motiv wichtig erscheinen, muss man sehr Nah herangehen. Die Hecke, die unten die halbe Bildhöhe einnimmt, war eher klein im Vergleich zur dahinter befindlichen Scheune.
Eine gekippte Kamera scheint die Schräglage im Vergleich zum Normal-Objektiv zu verstärken. Auf einen waagrechen Horizont ist akribisch zu achten, oder die Schräglage bewusst als Stilmittel einzusetzen.
Je kürzer die Brennweite, desto größer die Schärfentiefe bei gleicher Sensorgrösse. Es wird schwer, Objekte allein durch geringe Schärfentiefe freizustellen. Die Art des Hintergrunds erhält dadurch eine noch grössere Bedeutung als bei normalen Brennweiten. Mit kleiner Blendenöffnung kann sich die Schärfentiefe gleichzeitig vom Vorder- bis zum Hintergrund erstrecken.
Beim Einsatz von Weitwinkel-Objektiven erhält ein Bild räumliche Tiefe durch Staffelung von Motiven im Vordergrund, in mittlerer Entfernung und der Ferne. Dies soll folgendes Bild veranschaulichen.
Je weiter der Bildwinkel, desto größer die Wahrscheinlichkeit grosser Dynamik der Helligkeit im Bild. Das Histogramm erstreckt sich von ganz links bis ganz rechts in der Anzeige und wird zum Teil beschnitten. Lichter fressen aus oder Details verschwinden im Schwarz - je nach Belichtung. Bild-Details gehen verloren, arbeitet man nicht dagegen an. Dagegen helfen Techniken wie der Einsatz von Grauverlaufsfiltern oder HDR-Technik.
Grauverlaufsfilter helfen, die Helligkeit in Teilbereichen des Bildes so zu reduzieren, dass das Histogramm keine beschnittenen Bereiche mehr aufweist. Es wird nur eine Aufnahme gemacht. Aktuell besitze ich keine Grauverlaufsfilter, daher greife ich auf die High Dynamic Range Technik (HDR) zurück.
Dabei fertigt man mehrere Aufnahmen mit unterschiedlicher Belichtungszeit an. Die Aufnahmen werden in der Nachbearbeitung in einer diese Technik unterstützenden Software miteinander verrechnet. Dabei kommen Algorithmen zur Komprimierung der Helligkeitsdynamik zum Einsatz.
Obiges Bild entstand auf Basis der mit der HDR-Funktion meiner Kamera Aufnahmen. Dabei werden drei Bilder aufgenommen und die Rohdaten in einem DNG-Container (Digital Negative) zusammengefasst. Da ich die Verrechnung der Aufnahmen zu einem Bild nicht der Kamera überlassen möchte, extrahiere ich die drei Raw-Aufnahmen mittels vom Kamera-Anbieter bereitgestellter Software (PDCU - Pentax Digital Camera Utility) und nutze stattdessen die HDR-Funktion von Affinity Photo. Sie bietet zahlreiche Möglichkeiten die Verrechnung zu beeinflussen.
Zentral ist dabei der Vorgabe der Helligkeitskomprimierung. Die Standardkomprimierung ist hoch, also reduziere ich sie soweit möglich. Als Wegweiser dient mir das Histogramm. Die Farbverschiebung erfordert eine Reduktion der Sättigung, ich erhöhe den lokalen Kontrast und die Helligkeit ein wenig und passe die Belichtung an.
Trotz der Einstellmöglichkeiten - HDR-Aufnahmen zeigen oft eine Verschiebung von Farben und Kontrasten und können dadurch schnell unnatürlich wirken.
Obiges Schwarzweiss-Bild entstand ohne die HDR-Funktion der Kamera zu nutzen auf Basis von fünf Einzelbildern mit unterschiedlichen Belichtungszeiten (Bracketing). Ein Bild mit diesen Details gelang mir auf Basis eines Einzelbildes in Capture One Pro, meinem Standard Raw-Konverter, nicht.
Dagegen war ich mit meiner Affinity HDR-Version weniger zufrieden. Hier gelang mir mit Capture One Pro auf Basis eines Einzelbilds der 5er-Serie ein das eingangs des Beitrags gezeigte Bild. Eine entsprechende Capture One Pro Schwarzweiss-Version wollte mir nicht gelingen.
Ein neben der Farbverschiebung bestehender Nachteil gegenüber der Arbeit mit Grauverlaufsfiltern ist der, dass man zur Erzeugung eines HDR-Bilds immer mehrere Aufnahmen machen muss. Bei weitgehend statischen Inhalten funktioniert das gut, bei dynamischen eher nicht.
Allerdings gilt es beim Einsatz von Grauverlaufsfiltern ebenfalls einige Schwierigkeiten zu überwinden, denn der Verlauf des Übergangs von grau zu vollständig transparent ist gerade und die Anschaffung eines hochwertigen Filtersystems kostspielig.